Welche Wandelprozesse fanden bei der Verbflexion vom Frühneuhochdeutschen zum Neuhochdeutschen statt?

Die Verbflexion im Übergang vom Frühneuhochdeutschen zum Neuhochdeutschen hat mehrere bedeutende Wandelprozesse durchlaufen. Hier sind einige der wichtigsten Veränderungen:

1. **Vereinfachung der Konjugationsmuster**: Viele unregelmäßige Verben wurden regelmäßiger, indem sie sich den häufigeren Konjugationsmustern anpassten. Dies führte zu einer Reduktion der Vielfalt an Flexionsformen.

2. **Schwund des Präteritums**: Das Präteritum (einfache Vergangenheit) wurde in der gesprochenen Sprache zunehmend durch das Perfekt ersetzt. Dies ist besonders im süddeutschen Raum und in der Umgangssprache zu beobachten.

3. **Veränderung der Endungen**: Die Endungen der Verben in verschiedenen Personen und Zeiten wurden teilweise vereinfacht oder verändert. Zum Beispiel wurde die Endung „-en“ in der 1. Person Plural Präsens und Präteritum häufiger verwendet.

4. **Angleichung der starken Verben**: Viele starke Verben (Verben mit Vokalwechsel im Stamm) passten sich den Mustern anderer starker Verben an oder wurden schwach (regelmäßig). Ein Beispiel ist das Verb „backen“, das im Frühneuhochdeutschen noch „buk“ im Präteritum hatte, im Neuhochdeutschen aber „backte“ verwendet.

5. **Verlust des Konjunktivs II in der gesprochenen Sprache**: Der Konjunktiv II (würde-Form) wurde in der gesprochenen Sprache oft durch die würde-Periphrase ersetzt (z.B. „ich würde gehen“ statt „ich ginge“).

6. **Reduktion der Flexionsendungen im Imperativ**: Die Imperativformen wurden vereinfacht, insbesondere in der 2. Person Singular, wo die Endung „-e“ oft weggelassen wurde (z.B. „geh!“ statt „gehe!“).

Diese Veränderungen trugen zur Vereinfachung und Standardisierung der deutschen Verbflexion bei und sind Teil des allgemeinen Trends zur Vereinheitlichung der Grammatik im Neuhochdeutschen.